Abändern von Vorlagenfotos

Inge

SUPERVISOR
Da ich das Gefühl habe, dass z. T. etwas Unsicherheit hinsichtlich der "malfreundlichen" Abänderung von Fotovorlagen besteht, möchte ich hier Anleitung und Anstoß zur sachgemäßen und der Bildwirkung zuträglichen Änderung von Vorlagen geben. Ich stelle hier EINE Möglichkeit der Betrachtung als Beispiel ein. Zwar gibt es gewisse Grundregeln, die eigentlich für alle Vorlagen gleich gelten, um die Bildwirkung zu erhöhen. Da Malerei eine höchst individuelle Sache mit unterschiedlichen Sichtweisen ist, ist meine Darstellung sicher nicht die allein seeligmachende Lösung, sondern lediglich ein Denkanstoß, sich nicht sklavisch an das Foto zu halten, sondern dem endlich gemeisterten "Male das, was du siehst!" in der nächsten Phase das "Male das, was du eigentlich sehen müsstest, wenn es eine optimale Aufnahme wäre!" oder gar mit dem Zusatz versehen "....und dann mach DEIN Ding daraus!" versehen zu landen.
"Ich weiß, dass das blöd aussieht oder man nicht erkennt, was das sein soll, aber das war halt auf dem Foto auch so drauf..." gilt nach dem Durcharbeiten und selbst Weitersführen nicht mehr! :00000295:
 

Inge

SUPERVISOR
Beispielbild, selber aufgenommen und als Anregung für ein nicht-fotorealistisches Bild vorgesehen. Es zeigt eine Gracht in Friedrichstadt

Die positiven Kriterien für mich vorab schon mal:
- es geht keine Linie auf eine Ecke zu oder verläuft streng direkt parallel zu einer Kante oder genau im Rechten Winkel dazu
- Die Horizontlinie und markante Trennlinien sind nicht mittig, sondern eher auf 1/3 von oben oder teilen das Bild in nicht gleichgroße Bereiche
- viel Licht, viel Schatten vorhanden
- harmonisch in der Farbe, trotzdem Potential zur interessanten Gestaltung
- deutliche Stimmung ruhig/freundlich
 

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Inge

SUPERVISOR
So, und jetzt zu den Dingen, die mir nicht ganz so gefallen bzw. die ich sicher ändern möchte:

- Das Wasser ist mir zu stumpfbraun. Braunes Wasser in Teichen und Kanälen ist zwar original, wirkt aber gemalt oft wie Sumpfbrühe. Mein Wasser wird freundlicher.
- Die Allee auf der rechten Seite besteht aus regelmäßig gestutzten Bäumen, die einen dicken Stamm, aber künstlich kugelige Krone haben. Nun kennt jeder die Malweise von Kindern, wenn sie einen Baum malen. Der sieht dann nämlich aus wie...ja richtig, wie die aus der Allee.
Einem Fotografen kauft man diese Bäume so ab, auf dem Ölbild sieht so etwas aus wie braun angemalte Säulen mit einer grünen Kugel obenauf. Um das zu verhindern, werde ich erstens die Stämme dünner darstellen, zweitens die Verzweigung oben andeuten und drittens die Stämme im Wurzelbereich auseinander gehen lassen.
- mir ist das Bild insgesamt etwas zu düster. Um es aufzuheitern, werde ich etwas mehr Himmel zeigen, die Bäume im Mittelgrund also etwas "auslichten".
- Um die Tiefenwirkung besser zu erzielen, werde ich die Boote weiter vorne heller und intensiver skizzieren, den sonnigen Boden vorne rechts auch in wärmerem Ton
- die ganz hinteren Boote werde ich weglassen. Es macht keinen Sinn, in dieser Entfernung "Kleingepfriemel" darzustellen, das nur ablenkt. Sonst müssten ja die Sachen in gleicher Entfernung zwischen den Bäumen auch alle gemalt werden, die Sachen im VG noch viel detaillierter und - Baff! sind wir beim nicht angestrebten Fotorealismus.
 

Inge

SUPERVISOR
Ach ja, dann fällt mir noch auf, dass die Linie der Spundwand (Metallrand) gar so gerade ist und wie ich ja eingetrichtert bekam, sind lange gerade Linien langweilig und möglichst zu unterlassen. Das Auge erfasst und sagt sich "jaja, geht so weiter, kenne ich schon...:00000285:" Also wird die Spundwand stückweise etwas eingedellt, farbverrostet, überwachsen o. ä.
 

Inge

SUPERVISOR
Mir ist mißverständliche Ausdrucksweise aufgefallen. Also, die Boote werde ich nicht im Ganzen, sondern in sich vorne heller, hinten dunkler darstellen. Sorry, aber man kann in diesem Thread sich nachträglich nicht mehr korrigieren.
 

Inge

SUPERVISOR
So gäbe es unendlich viele Beispiele, wo ich nur immer Mut zur Änderung empfehlen kann.
Es ist doch schade, wenn man sich so unendlich viele Mühe bei der Ausführung macht und das Ergebnis dann doch irgendwie unbefriedigend bleibt, weil das Potential der Vorlage bezüglich der eigenen Vorstellungen nicht ausgenutzt wird.
 

Inge

SUPERVISOR
Gerade ist mir wieder so eine Vorlage untergekommen, die ich zwar malen muss, die aber eigentlich von der Qualität miserabel ist.
Nochmals hingehen und reklamieren "Bitte das Konzert nochmals geben, die Fotos sind nix geworden" geht leider nicht.....
 

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Inge

SUPERVISOR
Bei genauer Betrachtung: Zwei Hauptakteure, haufenweise fast unabgestuftes Dunkel, die Trennlinie des Hintergrundes beinahe in der Mitte. Zudem ist es eine Kunstlichtaufnahme, die Personen haben fahle Gesichtsfarben.
Was will ich eigentlich darstellen? Definitiv die Emotion des Sängers, der den ganzen Frust, die Wut und die Verzweiflung ausdrückt, wie sie beim "Cante de Flamenco so zentral sind.
Also Gesicht des Bübchens auf den Goldenen Schnitt.
Die Holzverschalung im HG ist langweilig, die wird etwas gekrümmt und belebt, die Kante rücke ich aus der Mitte.
 

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Atschi

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Hallo Inge, ich weiß nicht ob dir bewusst ist, dass in dieser Kategorie niemand antworten kann.
 

Inge

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Die Gitarre ist als einziges knallfarbenes und großes Objekt recht dominant. Ich werde sehen, dass ich sie nicht ganz so hervorhebe und evtl. auf der großen Fläche etwas Spiegelungen andeute.
Die Jacke mache ich nicht so schwarz-flächig, die Schwarztöne überhaupt nicht schwarz, sondern dunkelblau, sonst wird das Ganze so rußig.

So sehr man als Malschüler erst einmal eingebläut bekommt "Male das, was du siehst!", so sehr gilt hier "Male das, was eigentlich da sein müsste" bzw. .."das, was du eigentlich dort sehen möchtest"

Überhaupt übertreibe ich die ersichtlichen Farben etwas ins Rote bzw. Rotbraune.
 

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Inge

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Hallo Atschi,
Ja, das ist mir schon bewusst. Ich gedachte nur, nochmals eine Lanze für den Mut zur Änderung, zum Weggehen vom sturen Abmalen einer Vorlage zu brechen und EINEN der möglichen Ansätze mit meinen Hintergedanken dazu zu dokumentieren. Da ich den Thread damals ja dafür aufgemacht habe und jetzt an einem guten Beispiel arbeite, bot sich das an. Kannst aber auch gerne woanders hinverschieben, wenn du meinst, dass das besser passt und der Bedarf für Rückfragen besteht.
 

Inge

SUPERVISOR
Völlig vergessen:
Das Bild wurde zwischenzeitlich fertiggestellt...
...und hängt an recht hehrem Platze und in guter Gesellschaft.
Im gleichen Raum wie Vicente Amigo, "el Fosforito", Paco de Lucía usw. :00000108: :00000281:
 

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