GeorgP
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Jedes Jahr zu Weihnachten haben Geschenke Hochsaison. Aber es muss ja nicht immer alles geschenkt sein. Auch Selbstgekauftes hat seinen Reiz.
Der Malwettbewerb
Wer mich kennt weiß, dass ich nicht nur ausgesprochen großzügig, höflich und bescheiden bin, dazu noch - man sieht es mir wirklich nicht an - ein Mensch mit ausgezeichnetem hauswirtschaftlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Von meiner besseren Hälfte werde ich daher gerne zum Mülleimer leeren und Treppe wischen eingeteilt. Oder zum Tisch decken.
So wie heute morgen. Danach sitzen wir entspannt am Frühstückstisch. Ich überlege, was ich heute machen möchte, meine Frau überlegt, was ich machen soll. Mit ruhiger Überlegenheit blättere ich durch meine Hauspostille, die "Bäckerblume", als mein Blick an einem Artikel hängen wird:
Zeichenwettbewerb [...] für die Titelseite der Bäckerblume [...] gewinnen sie [...] schicken sie uns ihr schönsten Bild
Ich bin wie elektrisiert. Meine Sinne sind bis zum Äußersten gespannt. Gelassen blicke ich zu meiner Frau. "Ich fahre gleich in die Stadt. Ich brauche einen neuen Bleistift. Ich brauche Geld für den Bus und den St..." - "Nein!"
Liebevoll sehe ich meine Frau an. Wie gut sie mich doch kennt. Mit einem einzigen Wort, schafft sie es meine Karriere als Künstler zu beenden, bevor sie angefangen hat. Sie ist jetzt beim Kreuzworträtsel der Tageszeitung angekommen. Sie löst immer das Rätsel vom Vortag, mit der Zeitung von heute daneben. Eine Art Kontroll-Zwang?
Seufzend erhebe ich mich. "Ich bin dann mal beim Matthes." Matthes, muss ich erklären, ist mein ältester Freund. Wir kennen uns, seit er vor zwei Wochen bei uns in der Straße eingezogen ist. Er arbeitet bei Liebner, wo sie die tollsten Bleistifte und Radiergummis haben.
Ich erkläre ihm die Sachlage.
"Is ja kein Thema, tu ich dich bei helfen. Brauchste vor allem erstklassischet Werkezugs. Lass ma gucken. Ich hab der Schlüssel vom Laden. Fahre mer mal hin un gucken." Im Geschäft angekommen will er zunächst wissen, womit ich male. Öl, Pastell, Kreide... - "Keine Ahnung. Habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht."
"Kein Problem, nehme mer von allet ein Bisschen." Er stellt den Einkaufskorb wieder beiseite und wählt einen größeren Einkaufswagen.
"Ers ma brauchste Bleistifte von fuffzehn H bis... sagen mer mal fuffzehn B." - Man merkt gleich, hier spricht der Experte. "Am besten isset, wennste von allem zwei nimms, dann bisse auffe sichere Seite."
"Buntstifte brauchste auch. Aber nit so eine Kikikran, sondern jleich wat Vernünftijes. Hier hammer dat Profiset von Söhnlein" - Er wuchtet zwei Kartons In den Einkaufswagen. "Mit zwei bisse auffe sichere Seite.
"Akwarell brauchste auch - sicher is sicher! Zum Glück hammer grad ganz neu erein ereein bekommen Farben von Pick Asso. Da hast 64 janze und 32 halbe Schälchen. Dat reicht für der Anfang." Zwei Kästen wandern in den Wagen. "Sicher is sicher!" Nach kurzer Prüfung kommen ein paar Hände voll Pinsel dazu.
"Akrül auch? - Sicher dat. Mach ja heut jeder." - Dutzende von Tuben und Flaschen, wieder Pinsel. Matthes hat wirklch den Überblick. Weiter geht's zu den Ölfarben, den Pastellen, den Monochrom- und Kreide-Sets. "Jung, jetzt sind mer fast feritg, fehlt nur noch dat Papier. Ich sach immer, dat muss groß sein un dick un reichlich, damit de noch wat da has, wennste dich mal vertust."
Er prüft etliche Blöcke... "Nä, dat is nich jut jenuch." Er greift sicher nach einem ganz speziellen Papier. "Dat nehme mer in glatt und rauh, für Buntstift un für Pastell un Kreide un Kohle... immer zwei."
"Und Acryl?", frage ich naiv. "Nä, Akrül kommt nicht auf Papier, dat malt mer auf feine Stöffchen." und er zieht mich zu den Leinwänden.
"Jung", sagt er, "jetzt biste aber fein versorgt. Da kann dir nix mehr passieren. Wie isset, hasre Geld mit oder lieber mit die Karte?" Zum Glück habe ich vom letzten Einkauf noch die Karte meiner Frau in der Tasche. Er beginnt, im Kopf die Preise zu addieren. "Macht zuesammenn 5.827,45 Euros. Abzüglich 25 Prozent Personalrabatt macht..." Er rechnet wieder. "Weil du et bis 6.300 glatt". Nachdem die lästige Formalität erledigt ist, hilft er mir noch, die Sachen ins Auto zu laden. Ich wusste gar nicht, dass Papier so schwer ist. Dreimal müssen wir gehen.
"Wat gewinnste denn bei dem Wettbewerb?" - "Hauptgewinnn ist eine Woche lang Brötchen für die ganze Familie!" - "Wau -du has et jut, Jung!"
Wieder zu Hause angekommen schaffen wir die Sachen in unsere Garage, wo der Wagen meiner Frau steht. Ich bin begeistert. Der Wettbewerb ist schon so gut wie gewonnen.
"Ich hab mir was zum Malen mitgebracht, für den Wettbewerb. Ich muss mir jetzt nur noch mal die Teilnahmebedingungen durchlesen... Wo ist denn die Bäckerblume, in der ich heute morgen gelesen habe?", frage ich meine Frau. Sie deutet wortlos auf den Vogelkäfig. "Um Himmels willen, hoffentlich ist noch nichts passiert." - "Ach wat, dat is doch die Ausgabe von vor watt weiß ich wann."
Hastig blättere ich die Seiten durch. Absendeschluss war vor vier Wochen. Erschüttert sacken ich und mein Kreislauf zusammen. Tröstend klopft mir meine Frau auf den Rücken. "Ist doch nicht so schlimm. Haste doch wat Schönes für der Urlaub. Un dann kannste die Postkarten un Briefmarken selber malen." Ich kann nur noch Schluchzen. "Na, zeich doch mal deine Stifte."
...
Seit einer Woche kann ich wieder feste Nahrung zu mir nehmen. Als der Therapeut in der Klinik mir eine Maltgerapie vorschlägt, bekomme ich Schaum vor der Mund und beginne, mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Kurze Zeit später kommen die netten Pfleger mit meiner neuen weißen Jacke.
Der Malwettbewerb
Wer mich kennt weiß, dass ich nicht nur ausgesprochen großzügig, höflich und bescheiden bin, dazu noch - man sieht es mir wirklich nicht an - ein Mensch mit ausgezeichnetem hauswirtschaftlichen Kenntnissen und Fähigkeiten. Von meiner besseren Hälfte werde ich daher gerne zum Mülleimer leeren und Treppe wischen eingeteilt. Oder zum Tisch decken.
So wie heute morgen. Danach sitzen wir entspannt am Frühstückstisch. Ich überlege, was ich heute machen möchte, meine Frau überlegt, was ich machen soll. Mit ruhiger Überlegenheit blättere ich durch meine Hauspostille, die "Bäckerblume", als mein Blick an einem Artikel hängen wird:
Zeichenwettbewerb [...] für die Titelseite der Bäckerblume [...] gewinnen sie [...] schicken sie uns ihr schönsten Bild
Ich bin wie elektrisiert. Meine Sinne sind bis zum Äußersten gespannt. Gelassen blicke ich zu meiner Frau. "Ich fahre gleich in die Stadt. Ich brauche einen neuen Bleistift. Ich brauche Geld für den Bus und den St..." - "Nein!"
Liebevoll sehe ich meine Frau an. Wie gut sie mich doch kennt. Mit einem einzigen Wort, schafft sie es meine Karriere als Künstler zu beenden, bevor sie angefangen hat. Sie ist jetzt beim Kreuzworträtsel der Tageszeitung angekommen. Sie löst immer das Rätsel vom Vortag, mit der Zeitung von heute daneben. Eine Art Kontroll-Zwang?
Seufzend erhebe ich mich. "Ich bin dann mal beim Matthes." Matthes, muss ich erklären, ist mein ältester Freund. Wir kennen uns, seit er vor zwei Wochen bei uns in der Straße eingezogen ist. Er arbeitet bei Liebner, wo sie die tollsten Bleistifte und Radiergummis haben.
Ich erkläre ihm die Sachlage.
"Is ja kein Thema, tu ich dich bei helfen. Brauchste vor allem erstklassischet Werkezugs. Lass ma gucken. Ich hab der Schlüssel vom Laden. Fahre mer mal hin un gucken." Im Geschäft angekommen will er zunächst wissen, womit ich male. Öl, Pastell, Kreide... - "Keine Ahnung. Habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht."
"Kein Problem, nehme mer von allet ein Bisschen." Er stellt den Einkaufskorb wieder beiseite und wählt einen größeren Einkaufswagen.
"Ers ma brauchste Bleistifte von fuffzehn H bis... sagen mer mal fuffzehn B." - Man merkt gleich, hier spricht der Experte. "Am besten isset, wennste von allem zwei nimms, dann bisse auffe sichere Seite."
"Buntstifte brauchste auch. Aber nit so eine Kikikran, sondern jleich wat Vernünftijes. Hier hammer dat Profiset von Söhnlein" - Er wuchtet zwei Kartons In den Einkaufswagen. "Mit zwei bisse auffe sichere Seite.
"Akwarell brauchste auch - sicher is sicher! Zum Glück hammer grad ganz neu erein ereein bekommen Farben von Pick Asso. Da hast 64 janze und 32 halbe Schälchen. Dat reicht für der Anfang." Zwei Kästen wandern in den Wagen. "Sicher is sicher!" Nach kurzer Prüfung kommen ein paar Hände voll Pinsel dazu.
"Akrül auch? - Sicher dat. Mach ja heut jeder." - Dutzende von Tuben und Flaschen, wieder Pinsel. Matthes hat wirklch den Überblick. Weiter geht's zu den Ölfarben, den Pastellen, den Monochrom- und Kreide-Sets. "Jung, jetzt sind mer fast feritg, fehlt nur noch dat Papier. Ich sach immer, dat muss groß sein un dick un reichlich, damit de noch wat da has, wennste dich mal vertust."
Er prüft etliche Blöcke... "Nä, dat is nich jut jenuch." Er greift sicher nach einem ganz speziellen Papier. "Dat nehme mer in glatt und rauh, für Buntstift un für Pastell un Kreide un Kohle... immer zwei."
"Und Acryl?", frage ich naiv. "Nä, Akrül kommt nicht auf Papier, dat malt mer auf feine Stöffchen." und er zieht mich zu den Leinwänden.
"Jung", sagt er, "jetzt biste aber fein versorgt. Da kann dir nix mehr passieren. Wie isset, hasre Geld mit oder lieber mit die Karte?" Zum Glück habe ich vom letzten Einkauf noch die Karte meiner Frau in der Tasche. Er beginnt, im Kopf die Preise zu addieren. "Macht zuesammenn 5.827,45 Euros. Abzüglich 25 Prozent Personalrabatt macht..." Er rechnet wieder. "Weil du et bis 6.300 glatt". Nachdem die lästige Formalität erledigt ist, hilft er mir noch, die Sachen ins Auto zu laden. Ich wusste gar nicht, dass Papier so schwer ist. Dreimal müssen wir gehen.
"Wat gewinnste denn bei dem Wettbewerb?" - "Hauptgewinnn ist eine Woche lang Brötchen für die ganze Familie!" - "Wau -du has et jut, Jung!"
Wieder zu Hause angekommen schaffen wir die Sachen in unsere Garage, wo der Wagen meiner Frau steht. Ich bin begeistert. Der Wettbewerb ist schon so gut wie gewonnen.
"Ich hab mir was zum Malen mitgebracht, für den Wettbewerb. Ich muss mir jetzt nur noch mal die Teilnahmebedingungen durchlesen... Wo ist denn die Bäckerblume, in der ich heute morgen gelesen habe?", frage ich meine Frau. Sie deutet wortlos auf den Vogelkäfig. "Um Himmels willen, hoffentlich ist noch nichts passiert." - "Ach wat, dat is doch die Ausgabe von vor watt weiß ich wann."
Hastig blättere ich die Seiten durch. Absendeschluss war vor vier Wochen. Erschüttert sacken ich und mein Kreislauf zusammen. Tröstend klopft mir meine Frau auf den Rücken. "Ist doch nicht so schlimm. Haste doch wat Schönes für der Urlaub. Un dann kannste die Postkarten un Briefmarken selber malen." Ich kann nur noch Schluchzen. "Na, zeich doch mal deine Stifte."
...
Seit einer Woche kann ich wieder feste Nahrung zu mir nehmen. Als der Therapeut in der Klinik mir eine Maltgerapie vorschlägt, bekomme ich Schaum vor der Mund und beginne, mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Kurze Zeit später kommen die netten Pfleger mit meiner neuen weißen Jacke.